Die Urteilsfähigkeit muss hingelenkt werden auf die Weltzusammenhänge auf allen Gebieten.(Rudolf Steiner)
Mit Eintritt in unsere Oberstufe führt ein Betreuer oder eine Betreuerin die Klasse durch die Oberstufe. Das Prinzip des Epochenunterrichts wird fortgeführt, der jetzt von Fachlehrern gegeben wird, die über vertiefte fachspezifische Qualifikationen verfügen. Die Unterrichtsmethode verwandelt sich zu einem immer stärker werdenden eigenen gedanklichen Durchdringen der Unterrichtsgegenstände auf dem Weg zu individueller Urteilsfähigkeit.
Sowohl in den natur- wie auch den geisteswissenschaftlichen Fächern schulen wir methodisch zunächst die präzise, vorurteilsfreie Beobachtung und Beschreibung der Phänomene, bevor Erklärungen und Modelle zum Verstehen erarbeitet oder angeboten werden. So fördern wir ein Denken, das ohne Vorurteile die Welt neu zu entdecken und zu enträtseln sucht. Wir wollen in den Heranwachsenden in dieser Zeit durch Unterrichtsinhalt und -methode Weltinteresse wecken, das sowohl zur Lebenstüchtigkeit als auch zur Bildung von Lebensidealen beiträgt. Die noch unbewusste Suche der Jugendlichen nach der Mitte zwischen Intellektualität und Impulsivität sollen Lehrer bei uns begleiten, die neben ihrer fachlichen Kompetenz Verständnis für ihre Schüler mitbringen und ihnen mit Liebe und Humor begegnen.
Eine große Bedeutung haben die vierwöchigen Praktika und die künstlerisch-handwerklichen Unterrichte, die in zusätzlichen Nachmittagsblöcken gegeben werden. Weiterhin gehört die Teilnahme am Chor oder Orchester der Oberstufe sowie die Projektarbeit und das Klassenspiel in der 12. Klasse zu unserem Programm.
Ja, was war die Schulzeit für mich? Was war es, was mich 13 Jahre lang begleitet, unterstützt und gefördert hat?
Ich glaube, es war die Möglichkeit, sich individuell und ohne jeglichen Druck entwickeln zu können. Wenn ich mit meinen Freunden von damals, die übrigens noch heute zu meinem Freundeskreis zählen, über unsere Schulzeit spreche, kommen wir immer wieder an denselben Punkt: die Zeit und die Unterstützung bekommen zu haben, sich auf eine Reise begeben zu können und eben ohne Druck( z.B. Noten erst ab Klasse 12, von Klasse 1 bis Klasse 13 an einer Schule, Epochenunterricht) zu schauen, für und gegen was entscheide ich mich selbst. Ja, wer bin ich und wer will ich sein? Große Fragen, keine Ahnung, ob wir jemals die Antworten finden werden, aber wir sind auf den Weg geschickt worden mit einem vollgepackten Rucksack auf dem Rücken, der es uns ermöglichte, aufmerksam in die Welt zu blicken, ein Bewusstsein für sich, die Anderen und die Umwelt zu entwickeln.
Und wenn ich mich so umschaue, sind alle Waldorfschüler, die ich kenne, mit dem Weg, den sie eingeschlagen haben, mehr als zufrieden.
Karoline Eichhorn ist in Stuttgart geboren und hat dort die Waldorfschule am Kräherwald besucht. Danach war sie auf der Schauspielschule Folkwang in Essen und lange als Theaterschauspielerin tätig. Seit den 90-iger Jahren ist sie vermehrt für TV- und Film-Arbeiten unterwegs, zuletzt war sie in der Netflix-Serie „Dark“ zu sehen.